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Gastbeitrag

Entrepreneurship als Schlüssel für die Zukunft

Unternehmerische Konzepte mit Wirkung entwickeln
18. Mai 2025
© HeimatUnternehmen
Sein Buch „Kopf schlägt Kapital. Von der Lust, ein Entrepreneur zu sein“ wurde zum Bestseller und neun Sprachen übersetzt: Prof. Dr. Günter Faltin gilt als Pionier des Entrepreneurship-Gedankens in Deutschland. Das Unternehmen, das er selbst gründete, hatte großen Erfolg und entwickelte sich zum größten Importeur von Darjeeling-Tee weltweit. Seine Idee von einer intelligenten und feinfühligen Ökonomie, die von Menschen geprägt ist, die nicht nur kreative Lösungen entwickeln, sondern auch für gesellschaftliche Werte einstehen, ist heute aktueller denn je. Die Journalistin Barbara Hoppe gibt hier für HeimatUnternehmen Bayern einen Einblick in Günter Faltins Modell „Gründen mit Komponenten“.

Die Herausforderungen, vor denen wir heute stehen, sind immens: Klimawandel, Artensterben, Verschmutzung von Flüssen und Ozeanen, Mikroplastik allerorts, Ressourcenverschwendung, aber auch der demographische Wandel und Landflucht machen uns als Gesellschaft zu schaffen. Wie sollen wir diesen Herausforderungen begegnen? „Die Einsicht hat an Boden gewonnen, dass die Politik und die großen Institutionen immer weniger in der Lage sind, die anstehenden Probleme zu lösen oder vorhandene Chancen zu erkennen. Entscheidend in dieser Situation ist es, selbst einzugreifen und aktiv zu werden, um Veränderungen zu bewirken. Und das nicht nur in der Politik, sondern auch in der Ökonomie“, erklärt Günter Faltin. Unternehmerisches Handeln, das nicht primär eine betriebswirtschaftliche Disziplin ist, sondern ein kreativer Akt der Gestaltung. „Bei Entrepreneurship geht es darum, eine Idee zu entwickeln und umzusetzen, die Sinn macht – für mich selbst und für andere“, so Faltin.

Sinn stiften statt Kapital maximieren

Damit trifft Faltin den Nerv vieler Menschen, die sich nicht oder nicht mehr in klassischen Wirtschaftslogiken wiederfinden. Entrepreneurship bedeutet bei ihm nicht, ein Geschäftsmodell zu entwerfen, das Investoren beeindruckt. Vielmehr gehe es darum, eine Idee zu realisieren, die gesellschaftliche Relevanz hat, dabei ressourcenschonend sei und den eigenen Fähigkeiten und Werten entspricht. Dabei gilt das besondere Augenmerk den Begriffen „Idee“ und „realisieren“. Eine Idee allein sei noch kein unternehmerisches Konzept, betont Faltin. Die eigentliche Arbeit bestehe darin, aus dieser Anfangsidee ein tragfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln. Das bedeutet, einzelne Teile immer wieder auf den Prüfstand zu stellen, zu verwerfen, neu zu entwickeln und aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, so lange, bis ein stimmiges Konzept entstanden ist. Günter Faltin nennt diesen Prozess „ein Ideenkunstwerk schaffen“. „Im Deutschen haben wir den von Richard Wagner geprägten Begriff Gesamtkunstwerk, der zum Ausdruck bringen will, dass man verschiedene Künste zu einer Kunst zusammenfügen kann. Auch die Entwicklung erfolgreicher Ideenkonzepte kann sich solcher Elemente bedienen. Neue Ansätze stammen oft von Branchenaußenseitern oder Marktneulingen, denen die vorfindbaren Lösungen noch nicht selbstverständlich geworden sind, sondern diese kritisch hinterfragen.“ Faltin selbst hat es vorgemacht. Als Hochschulprofessor gründete er 1985 die Teekampagne. Damals Branchenaußenseiter, ist das Unternehmen heute größter Direktimporteur von Darjeeling Tee weltweit.

Die zentrale Rolle bei der Gründung eines Unternehmens ist also das Konzept. Es muss klar, durchdacht und in sich stimmig, aber nicht zwingend eine neue Erfindung sein oder technologisch komplex. Faltin nennt dies konzept-kreative Gründungen. „Die Überlebenschancen einer Gründung steigen, wenn das Startup gerade nicht auf eigene Hightech-Entwicklung setzt. Sondern offen und flexibel bleibt und jeweils die technologisch am weitesten entwickelte oder preiswerteste Lösung am Markt einkauft. “ Das führt zu einem zweiten zentralen Punkt bei der Entwicklung eines unternehmerischen Konzept: dem Einsatz von Komponenten.

„Früher hieß es: Was brauche ich, um ein Unternehmen zu gründen und erfolgreich zu organisieren? Die neue Frage, sagt Faltin, lautet: Wie kann ich aus bereits vorhandenen Modulen etwas Neues komponieren?“ Statt alles selbst zu machen, sollten Gründer auf bestehende Infrastruktur zurückgreifen: Verpackung, Logistik, Onlinehandel, Buchhaltung, all das könnten Spezialisten ihre Fachs übernehmen – die Komponenten –, sodass sich die kreative Energie des Gründers auf das Wesentliche konzentriert: die Idee, ihre Weiterentwicklung zu einem Unternehmenskonzept und die Koordination der Komponenten. Dieses Prinzip entlastet nicht nur, sondern ermöglicht auch Menschen ohne betriebswirtschaftlichen Hintergrund den Einstieg in die unternehmerische Welt.

Agenten des Wandels

Dennoch – ein stimmiges unternehmerisches Konzept zu erarbeiten ist nicht einfach. Es ist mitunter ein langer Weg, bis alle Möglichkeiten geprüft, Neues gelernt und viele gedankliche Schleifen gemacht wurden. Deswegen ist es so wichtig, dass die Geschäftsidee auch stimmig zur Person des Gründers ist, zu seinen Wünschen, Neigungen und Talenten passt. Nur dann haben Gründer die Kraft, Ausdauer und Energie, den langen Weg vom ersten Einfall zum ausgereiften Konzept, zur Markteinführung und schließlich zum Aufbau und Wachstum eines erfolgreichen Unternehmens auch wirklich durchzuhalten.

Wo dieses Unternehmen entsteht, spielt dabei keine zentrale Rolle mehr. Denn: Wer auf Komponenten zugreift, kann von überall aus ein Unternehmen führen. Die Digitalisierung ermöglicht es, Unternehmen auch aus kleinen Dörfern heraus zu entwickeln und zu führen. Ein schöner Nebeneffekt: Statt sich in einem Großstadt-Hot-Spot behaupten zu müssen, können Entrepreneure den ländlichen Raum mit Leben füllen. Ganz davon abgesehen, dass ländliche Räume oft auch günstige Bedingungen bieten – wie niedrigere Mieten und engere soziale Netze – sowie auch einen Lebensstil, der mit vielen Werten des Entrepreneurship übereinstimmt wie Entschleunigung oder die  Nähe zur Natur.

Entrepreneure seien die Akteure, die einer festgefahrenen ökonomischen Situation neues Leben einhauchen können, sagt Faltin. Ein Gedanke, der auf den österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter zurückgeht. Faltin ist überzeugt, dass heute die Mittel vorhanden sind, dass viel mehr Menschen als früher in der Lage sind, die Chancen des Entrepreneurship für sich zu nutzen. „Entrepreneure sind die eigentlich verändernden Kräfte im Getriebe der Ökonomie. Dieser immer größere Kreis von Agenten des Wandels ist es, der neu formt und neu gestaltet. Wir können ihnen zutrauen, Probleme zu erkennen und mit innovativen Lösungen auf sie zu reagieren. Gehen wir in diesen Kreis hinein. Aber bringen wir unsere eigenen Werte und Ideen mit“, appelliert Faltin. „Wir haben das Potenzial, eine intelligentere, feinfühlige Ökonomie zu schaffen. Lassen Sie uns die Weichen für eine Zukunft stellen, die von Liebe zu den Menschen und zur Natur geprägt ist.“


Prof. Dr. Günter Faltin, Jahrgang 1944, studierte von 1964 bis 1968 Volkswirtschaft in St. Gallen und Tübingen. 1972 promovierte er an der Universität Konstanz über Milton Friedman. 1977 erhielt er einen Ruf als Professor an die Freie Universität Berlin, wo er den Arbeitsbereich Entrepreneurship aufbaute. Er wurde auf mehrjährige DAAD-Gastprofessuren in Asien berufen, hielt wissenschaftliche Vortragsreihen und Workshops in mehr als 20 Ländern, u.a. in den USA, Kanada, Mexiko, Brasilien, Russland, Ukraine, Georgien, Indien, Thailand, den Philippinen, Südkorea und Japan. Von 2013 bis 2020 lehrte er als Gastprofessor am International College for Digital Innovation der Universität Chiang Mai.

1985 initiierte er das Unternehmen Projektwerkstatt GmbH mit der Idee der „Teekampagne“. Dieses Unternehmen ist seit 1995, nach Angaben des Tea Board of India, größter Importeur von Darjeeling-Tee weltweit. 2001 errichtete er die Stiftung Entrepreneurship, die den jährlich stattfindenden Entrepreneurship Summit veranstaltet. 2009 nahm er den „Deutschen Gründerpreis“ für die Teekampagne entgegen. 2010 verlieh der Bundespräsident ihm als Pionier des Entrepreneurship-Gedankens in Deutschland den Bundesverdienstorden.

Die Autorin: Barbara Hoppe studierte Literaturwissenschaften und ist als Kulturjournalistin tätig. Seit 2011 gibt sie das Online-Magazin Feuilletonscout – Das Kulturmagazin für Entdecker heraus. In ihrem Magazin widmet sich Barbara Hoppe der Entdeckung von Debüts und außergewöhnlichen Beiträgen in Literatur, Musik, Kunst, Bühne und Film – stets mit dem Ziel, kulturelle Phänomene abseits des Mainstreams ins Licht zu rücken. Darüber hinaus vermittelte sie über 11 Jahre als Geschäftsführerin der Stiftung Entrepreneurship Gründerwissen für Konzept-kreative, künstlerisch-phantasievolle Geschäftsmodelle.