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Streifzüge durch Schwaben 12: Was geht im Innenstadt-Bestand

Das Emmi-Fendt-Areal Marktoberdorf hat junge Antreiber

Projekt: Streifzüge durch Schwaben
Der HeimatUnternehmer Florian Stowasser öffnet die Tür zur Bar KonterKaffee
Hereinspaziert und willkommen: aus dem klassischen Coming Home-Treff zu Weihnachten hat sich in Marktoberdorf um Florian Stowasser ein veritables Stadtentwicklungs-Projekt entwickelt
© Daniel Delang/Initiative HeimatUnternehmen

„Wenn ich in die Innenstadt gehe mit meinen Kindern, gibt es kein Angebot, wo wir als Familie hingehen können“, erläutert uns Florian Stowasser das Problem. „Was essen, was trinken, einfach in der Innenstadt sein, ob abends allein oder tagsüber mit kleinen Kindern, ist wenig attraktiv in Marktoberdorf.“
Dabei ist der Unternehmer schon einer, der mit seiner Cocktailbar Konterkaffee einen wichtigen Impuls setzt an der zentralen Meichelbeckstraße. Zusammen mit einem Compagnon betreibt er seit 2016 auf eigene Initiative die Bar in einer früheren Bleizugmaschinenfabrik. Der frühindustrielle Charme hat sich erhalten. Die Bar ist läuft gut, aber das Gebäude, in dem wir uns bei unserem Stopp der Streifzüge durch Schwaben treffen, insgesamt hat Sanierungsbedarf wie Ausbaupotenzial.

Ein Stadt hat immer auch ein Erbe an Strukturen und Ideen
Die Bleizugmaschinenfabrik ist ein Teil des Areals, das die Unternehmerwitwe Emmi Fendt der Stadt Marktoberdorf vermacht hat. Als eine von mehreren Fendt-Familien prägten sie und ihr Mann Clemens über Jahrzehnte die aufstrebende Entwicklung der heutigen Kreisstadt im Ostallgäu mit. In dieser war es nicht unüblich, dass sich Gewerbe und Protoindustrie lange in der Innenstadt halten konnte, bevor sich die Industriezonen am Stadtrand aufblähten. Schöne Bürgerhäuser und eben ortsbildprägende Werkstattgebäude als auch überraschenderweise typische Allgäuer Bauernhöfe haben sich baulich in der Innenstadt erhalten. Sie zeugen vom Aufstieg und vom Miteinander einer ländlichen Industriestadt, die sich nach dem Wegfall der fürstbischöflichen Zentralperspektive 1803 neu orientieren musste und dies mit Erfindergeist und regionaler Verbundenheit zu meistern wusste. Heute greifen junge Inititativen bewusst auf den Altbestand zurück, entwickeln neue Plattformen und erhalten lokale Angebote. Es tut sich was. Jetzt muss es wieder verstetigt werden.

Ein Kontrapunkt gegen Innenstadtverödung
Florian schiebt den schweren Riegel zurück und öffnet die Tür zum Gelände, das er gerne entwickeln möchte. Der lebendige Innenhof der Bar KonterKaffee zeigt heute schon, wohin die Reise gehen kann. Während er einen Sitzwürfel aus der Außengastronomie repariert, haben wir kurz Zeit, uns das Konzept erläutern zu lassen.
Der ausgebildete Betriebswirt und Eventmanager möchte mit einem kleinen Team aus dem Areal einen Gewinn für die Stadt und das Umland machen. Wie ein Magnet sollen verschiedene Angebote aus Gastronomie, Design und Handwerk Gäste und Einheimische anziehen und gleichzeitig die Innenstadt beleben. Für die hiesigen Handwerks- und Designgewerbe bietet sich die Chance auf kleinere, flexible Einheiten, die auch für Berufsanfänger eine gut wahrnehmbare und synergetisch genutzte Verkaufsumgebung ergeben. Die Projektler planen, die Bar weiterzubetreiben und mit einem Co-Working-Bereich, Büros und Werkstätten zu ergänzen. In die angrenzende Turmuhrenwerkstatt soll eine zur Innenstadt geöffnete Markthalle für handwerkliche Food- und Design-Produkte einziehen, die rückseitig im geschützten Bereich in einen Biergarten mündet. Florian zeigt auf ein langes, schmales, aber durch seinen Dachüberstand wohlproportioniertes Lagergebäude: „Ein unbeachtetes Juwel!“ Unter seinem markanten Dachstuhl sollen eine Klein-Brauerei und ein kleiner Saal für Feste und Events entstehen.

Gehen durch Gelände und Konzept: von Gastwirtschaft, Grünraum bis Handwerkerareal
Wir wollen natürlich alles sehen, was dazu gehört. Die Kunst für Fotograf Daniel Delang ist, im noch nicht entwickelten Baubestand Perspektiven und Stimmungen einzufangen, die die Ideen der Projektentwicklung rüberbringen. Denn, zugegeben, wie immer gibt es ganz alltäglich biedere Wandputzfarben, Straßendreck und als Marker innerstädtischer Verödung die Schaufensterreste einer Videothek. Wir aber möchten ja die Geschichte des Potenzials erzählen.
Beim Gang durch das Emmi-Fendt-Areal finden wir die unterschiedlichen Epochen und Baustile Marktoberdorfs auf einem Fleck. Nach den hohen Räumlichkeiten der Bleizugmaschinenfabrik und der Turmuhrenwerkstatt kommen wir zum denkmalgeschützten „Grafenhof“, der mit großem Widerkehr und kleinem Bauerngarten das alte Landleben aufploppen lässt, mitten im Stadtzentrum. Wir können uns gut vorstellen, wie hier eine richtige Gastwirtschaft mit Stube und schönem Außenbereich einzieht. Wäre es nicht charmant, man würde auf der alten Salzstraße durch Marktoberdorf nicht nur direkt auf die historische Fassade des Grafenhofs zufahren, sondern fände an zentraler Stelle auch gleich noch ein Beispiel für die viel besungene Gastlichkeit Bayerns?

Eine Wohltat ist es schon jetzt in das Grün hinter dem Haus zu gehen. Das benachbarte Heimatmuseum der Stadt im Hartmannhaus greift den ländlich-ruhigen Charakter auf. Zonierte Bepflanzung und fußläufige Wege im und um das zukünftige Areal soll es geben. Die Handschrift einer ökologiebewussten Landschaftsarchitektin aus dem Projektteam ist auch dem Planungskonzept zu entnehmen.
„Dass man die Kinder einfach mal springen lassen kann,“ sagt Florian noch zum Thema zukünftige Nutzung und weist damit auf die Schwierigkeit hin, die unterschiedlichen Bedürfnisse verschiedener Alters- und Anspruchsgruppen in einer dichten und verkehrsreichen Innenstadt zu integrieren. Doch auch wir freuen uns über den Baumschatten hinter dem Haus und sind damit in einem weiteren Potenzialfeld der Ortsentwicklung.

„Eine riesige Chance“ - die Idee von außen betrachtet
„Das Vorhaben von Florian ist eine riesige Chance für Marktoberdorf“, sagt Heimatentwickler Christian Skrodzki, der das Projekt für die Initiative HeimatUnternehmen begleitet. „Nicht nur für die Stadt, auch die Bürgerinnen und Bürger aus der Umgebung können sich hier mit Unterstützung, Ideen und unternehmerischen Angeboten einbringen.“ Leerstandsentwicklung, die in vielerlei Hinsicht anschlussfähig ist, bringt eben nicht nur einer Stadt etwas, sondern auch ihrem Umland.

Ein erlebbares Areal, kleinstrukturiert, mit Handwerk, Gastronomie, Büros und Wohnungen wird erfahrungsgemäß, so Florian, überregional wahrgenommen. „Ich wollte eigentlich nur die Bleizugmaschinenfabrik ausgestalten“, erinnert er sich. „Doch die Stadt möchte nur das ganze Areal gesamt betrachten.“ Für den Antreiber Florian Stowasser, der zudem aus dem Stand mit seinem Unternehmenspartner einen Klettergarten im Süden Marktoberdorfs erfolgreich gegründet hat, war es eine machbare Aufgabe, auch ein schlüssiges Gesamtkonzept, das wir hier in der HeimatUnternehmen-Projektbeschreibung aufzeigen, zu entwickeln. Inzwischen soll ein Teil nach Möglichkeit an eine Bürgergenossenschaft gegeben werden: Der Grafenhof mit Gastronomie, Wohnungen und erlebbarem Handwerksarel. Das ist eine Idee, die zu diesem Konzept mit seiner offenen Nutzungsvielfalt im historischen Baubestand Marktoberdorfs gut passt.

Florian, der das Projekt Emmi-Fendt-Areal ehrenamtlich anschiebt, muss zurück an die Arbeit, und auch wir ziehen weiter für die letzte Etappe dieses ländlichen Streifzugs aus dem Ostallgäu ins Oberallgäu. Von Maschinenbau, typischer Baukultur und neuen Ideen haben wir nun einiges erfahren, jetzt wollen wir es wissen: wie geht es einem Ur-Betrieb im Allgäu, einer Alpe? Wie kann man diese in die Zukunft führen? Rund um den Grünten, den markanten Allgäuer Wächterberg, werden wir doch bestimmt fündig auf unserem Streifzug. Was wir gefunden haben, steht in der nächsten Folge von Streifzüge durch Schwaben.

Kontakt

KonterKaffee am Emmi-Fendt-Areal
Meichelbeckstraße 12a, 87616 Marktoberdorf
Vertreten durch die Klette GmbH
Florian Stowasser, stowasser(at)klette-am-ette.de

Für unseren dritten Streifzug in den Streifzügen durch Schwaben haben wir die Route von Landsberg über Waal und Marktoberdorf nach Rettenberg gelegt. Entlang der alten Kulturachse Via Claudia Augusta geht es lechaufwärts vorbei an barocken Kleinoden und einer noch recht flachen, abwechslungsreichen Landschaft hin zur Allgäuer Alpenkette. Man kann dem reifen Lech flussaufwärts Richtung Auerberg und Königswinkel folgen oder nach kurzer Westquerung auch dem Wertach-Radweg entlang des kleinen Gebirgsflusses. Ab Oy-Mittelberg besteht die Möglichkeit für die jetzt hügelige Strecke auf den Bodensee-Königssee-Radweg nach Rettenberg und die Region Alpsee-Grünten zu wechseln.
Dieser Artikel ist Teil der HeimatUnternehmen-Reportageserie Streifzüge durch Schwaben, die hier insgesamt zu finden sind.
Texte: Veronika Heilmanneder, Fotos: Daniel Delang

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