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Interview

"Ich spüre, dass wir im ländlichen Raum ganz viel verändern können"

Interview mit Olaf Heinrich
19. Juni 2025
© HeimatUnternehmen
Für den Freyunger Bürgermeister und Bezirkstagspräsidenten von Niederbayern sind Heimatunternehmen „kreative, nonkonformistische Ansätze für die Entwicklung ländlicher Räume“. Das Team vom HU-Magazin hat sich mit ihm in seinem Rathaus unterhalten.

Was bedeutet Heimat für Sie?

Für mich ist Heimat ein Ort, an dem ich mich geborgen fühle, weil ich die Menschen, die Traditionen und das Umfeld kenne.

Welche Rolle spielt die Initiative HU für Ihre Kommune?

Wir profitieren ganz stark davon, dass es Menschen gibt, die die üblichen Pfade verlassen, die eigeninitiativ sind, die nicht erst nach dem Staat rufen, sondern selber die Ärmel hochkrempeln, und die zeigen, dass man auch in einer Zeit, in der ganz viel geregelt zu sein scheint, neue Wege gehen kann. So erlebe ich die HU vor Ort, eine ganz kreative Gruppe von Menschen, die anpacken.

Was brauchen HU für den Erfolg?

Ganz viel geht darum, dass die Menschen vernetzt werden müssen, dass sie sich gegenseitig ergänzen und ihre Ideen verfeinern im Austausch miteinander. Es kommt aber auch ganz stark darauf an, dass diese Menschen, die eine tolle Idee haben, Unterstützung, aus ihrem Umfeld, aus ihrem Ort, aus ihrer Community bekommen, in der sie leben, da geht´s nicht um Geld. Sondern da geht´s oft um Kontakte und das gelingt im Kreis der HU ganz häufig sehr gut.

Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell für den ländlichen Raum?

Wir haben in den letzten Jahrzehnten in Bayern davon profitiert, dass Mobilität sehr günstig war. Das verändert sich gerade, deshalb wird die Wirtschaftsstruktur, die Bayern in den letzten Jahrzehnten stark gemacht hat, unter Druck geraten. Deshalb wird es ganz stark darum gehen, dass wir regionale Wirtschaftskreisläufe schließen, dass wir viel in der Region für die Region produzieren und dass wir uns neue Nischen suchen. Wir brauchen neue Ansätze, damit die Regionen sich wirtschaftlich gut entwickeln.

Wo sehen Sie hier die größten Chancen?

Ich glaube, dass der ländliche Raum in einer neuen Energiewelt riesige Möglichkeiten hat. Die Energie der Zukunft wird nicht in den Städten in erster Linie erzeugt, sondern im ländlichen Raum, und hier im Idealfall von den Menschen, nicht von den großen Konzernen, sondern von Bürger-Energie-Genossenschaften, von vielen Unternehmerinnen und Unternehmen, die selber anpacken und neue Wege gehen. Und ich glaube, es wird ein ganz entscheidender Faktor wieder werden, dass wir regional hochwertige Lebensmittel produzieren. Da sind die internationalen Verkehrswege und Handelsbeziehungen auch viel fragiler, als sie das vor 5 Jahren noch waren.

Was bedeutet für Sie der Begriff „HeimatMehrWert“ im politischen Kontext?

Es ist ganz wichtig, dass man Heimat nicht instrumentalisiert, sondern immer wieder deutlich macht, dass Heimat etwas ist, das ganz offen ist, sich wo zuhause zu fühlen, das hat wenig mit Herkunft zu tun, auch nur in Teilen mit Sprache. Es hat damit zu tun, dass ich mich vor Ort engagiere, dass ich vor Ort einen Beitrag leisten möchte und dass ich zur Gestaltung und Weiterentwicklung meiner Kommune beitrage.

Gleichzeitig ist dieser Heimatgedanke eine ganz wichtige Grundüberzeugung. Wenn ich nur immer das Billigste nehme, kann ich alles im Internet bestellen und es wird mir aus Asien geliefert, aber einen Heimatwert hat das alles überhaupt nicht. Wenn ich aber dafür sorge, dass Nahversorgung weiter funktioniert, dass es Kleinhandwerker nach wie vor in der Region gibt, dass eine möglichst breit gefächerte Wirtschaftsstruktur erhalten bleibt, dann sorge ich auch dafür, dass vielleicht mein Sohn mal eine Lehrstelle bekommt, dass es vor Ort noch ein Angebot gibt, was auch der, der nicht so mobil ist, nutzen kann, und dann sorge ich zuletzt auch dafür, dass es noch Steuern gibt, die an die Kommune bezahlt werden, die die wiederum in die Lebensqualität investieren kann.

Wie unterscheidet sich die Initiative Heimatunternehmen Bayern aus Ihrer Sicht von anderen Wirtschaftsinitiativen?

Ich glaube, dass die IHK, die HWK, auch die institutionale Wirtschaftsförderung, ganz, ganz viel erreicht haben, aber vielleicht von ihrer Herangehensweise nicht immer die Richtigen sind für diese freien Radikalen, diese Jungen und ganz Dynamischen, die mit den Heimatunternehmen neue Wege gehen wollen. Es geht nicht in erster Linie darum, wo kriege ich die maximale Wirtschaftsförderung? Sondern es geht um die Frage, wie kann ich aus meiner kreativen Idee wirklich ein Geschäftsmodell machen, wie schaffe ich es, Leute zu treffen, die großes Interesse daran haben, dass in ihrem Heimatort so etwas entsteht. Und wie gelingt es in einem kreativen Milieu sich so zu vernetzen, dass viele, die ähnlich denken, gemeinsam erfolgreich sind. Das gelingt sicherlich auch in anderen Organisationen, aber ich glaube, da sind die Heimatentwickler und die Heimatunternehmer schon eine besondere Gruppe von besonders kreativen Leuten.

Mit einem Satz: Warum sind Heimatunternehmen wichtig?

Für mich sind Heimatunternehmen kreative, nonkonformistische Ansätze für die Entwicklung ländlicher Räume in einer sich stark verändernden Welt.

Was gibt Ihnen Zuversicht für die Zukunft des ländlichen Raums?

Ich gehe jeden Morgen mit großer Freude in meine Arbeit, weil ich spüre, dass wir in ländlichen Räumen ganz viel verändern können. Und ich glaube, die Veränderungen, die wir gerade auf der Welt erleben, die sprechen für den Mikrokosmos einer kleineren Kommune, die sprechen für ländliche Räume, die sprechen für Regionen, in denen die Menschen miteinander reden und Lösungen suchen und sich nicht gegenseitig bekämpfen oder Fronten aufbauen.

Nach meiner festen Überzeugung werden viele Herausforderungen der Zukunft in ländlichen viel leichter gelöst werden können als in den großen Städten und wir werden auf der anderen Seite auch ganz stark von Entwicklungen in der Arbeitswelt profitieren. Wir müssen das nur nutzen.

Was ist mit dem Streben der Menschen in die Städte?

Ich merke ganz deutlich, dass seit der Pandemie eine Veränderung dieser Entwicklung nachweisbar ist. Wir hatten vorher ganz viel Ruhestands-Wanderungen, Menschen, die 30, 40 Jahre in den Ballungsräumen waren und dann im Ruhestand in ihre Heimat zurückgekehrt sind und gesagt haben, ich möchte da, wo ich aufgewachsen bin, da wo ich die Menschen kenne oder wo ich die Region kenne, wieder leben. Jetzt kommen ganz viele nach dem Studium oder in der Phase der Familiengründung und sagen, auch wenn wir hochqualifiziert sind, können wir ganz viel von zuhause aus machen. Wir wollen aber, dass unsere Kinder in einen Kindergarten gehen, der 150 Kinder hat und nicht 500, zweitens wissen wir auch, dass wir da auch einen Kindergartenplatz kriegen, und drittens können die sogar zu Fuß in die Grundschule gehen. Und das sind ja alles Werte. Wenn die dann noch ein gutes Vereinsleben haben, eine traumhaft schöne Landschaft, die viele junge Menschen jetzt dazu bringen, auch wenn sie in ganz kreativen Branchen tätig sind, zurückzukehren in den ländlichen Raum.

Wie kann Kommunalpolitik Heimatunternehmen unterstützen?

Ich glaube, dass mehrere Dinge möglich sind. Einmal geht es ganz stark darum, dass man nicht selber säen muss, sondern den Boden bereiten. Wenn man möchte, dass Heimatunternehmer sich entwickeln können, dann brauchen sie weniger strikte Rahmenbedingungen, sondern ein offenes Ohr und die Möglichkeit, sich zu entfalten. Zum Beispiel mal eine Immobilie zwischenzunutzen, ohne riesige Genehmigungsverfahren und in der Chance, was auszuprobieren. Oder die Möglichkeit, mit ihren ungewöhnlichen Ideen auf offene Ohren zu stoßen, weil man nicht Gründe sucht, warum es nicht geht, sondern Wege, wie es geht. Ich glaube, darum geht es ganz stark. Und davon profitiert ein Ort, weil wenn solche kreativen Unternehmerinnen und Unternehmer neue Wege gehen, dann entstehen auch ganz neue Chancen.

Sehen Sie Heimatentwickler:innen als Partner:innen der Kommunen?

HeimatEntwickler sind Menschen, die aufgrund dieser tollen Konstruktion, dass sie auf der einen Seite unternehmerisch noch tätig sind und auf der anderen Seite freiberuflich beraten, ganz viel Wissen mitbringen und auch der Kommune rückmelden können, was die Kommune tun kann, um so eine positive Entwicklung zu verstärken. Oder auch wo die Kommune nochmal nachdenken muss und die eigene Meinung hinterfragen muss, weil man vielleicht gerade auf dem falschen Pfad ist. Und da spielen die Heimatentwickler in meinen Augen als Partner der Kommunen eine ganz, ganz wichtige Rolle.