Manchmal braucht man einfach Mut – und einen freien Raum
Hohenfels ist für die meisten gleichbedeutend mit dem Truppenübungsplatz. Tatsächlich prägt das weitläufige Militär-Areal die Kommune. Die Auswirkungen machen sich bemerkbar. Beispielsweise sind die Mieten in dem abgelegenen Markt ungewöhnlich hoch. Denn die Möglichkeit, an Angehörige der US-Armee zu vermieten, hat Einfluss auf den Mietpreisspiegel. Obwohl vermeintlich strukturschwach, ist es schwer, in Hohenfels bezahlbaren Wohnraum zu finden.
Für Fabian Boßle birgt dieser Mangel eine Chance: Als der Ingenieur sich 2022 entschied, das sanierungsbedürftige Gebäude der alten Post am Marktplatz zu kaufen, beinhaltete sein Konzept den Plan, auch Wohnungen zu schaffen. In beiden Obergeschossen je drei Einheiten, im Erdgeschoss eine Location mit Gastronomie, Möglichkeit für Veranstaltungen und vielleicht einem Co-Working-Space. Sogar über eine kleine Schau-Brauerei, denkt der HeimatUnternehmer nach, der in Weihenstephan Brau-Technologie studiert hat.
Einen Ort für Gemeinschaft schaffen
Fabian Boßle ist es wichtig, einen lebendigen Treffpunkt zu schaffen. „Ich muss hier nicht den großen Reibach machen“, sagt er. „Ich möchte in erster Linie einen Ort schaffen, an dem die Menschen gern zusammenkommen, an dem sich etwas rührt.“
Während er seinem Beruf bei einem großen Unternehmen im Landkreis nachgeht, steht Fabian Boßle in seiner Freizeit auf der Baustelle. Arbeit gibt es jede Menge. Das Gebäude stand rund 20 Jahre leer und wurde ursprünglich um etwa 1870 errichtet. Da lauern viele Überraschungen unter dem Putz. Doch Fabian Boßle ist optimistisch, 2026 die ersten Mieter zu begrüßen. Er wünscht sich, dass hier verschiedene Generationen unter einem Dach wohnen. Denn die Wohnungen eignen sich ebenso für junge Leute wie für Senioren.
Die Gastronomie soll nach und nach folgen. Für den Anfang schwebt Fabian Boßle ein Öffnungstag pro Woche vor, mit einer guten, aber einfachen Speisekarte und im besten Fall selbst gebrautem Bier. An Tagen, an denen die Küche kalt bleibt, sollen die Räumlichkeiten allen offen stehen, die bei der Arbeit im Home-Office gern ab und zu Gesellschaft haben.
Bei einer Baustellenbesichtigung mit HeimatEntwicklerin Stefanie Hofbeck ist Fabian Boßle die Begeisterung anzusehen. Über die Initiative HeimatUnternehmen hat er unter anderem Kontakt zu Dr. Franz Ehrnsperger bekommen, der ihm als erfahrener Brauer und ehemaliger Geschäftsführer der bekannten Neumarkter Lammsbräu im Hinblick auf die kleine Schau-Brauerei zur Seite steht.
Das Netzwerk aus Gleichgesinnten, das HU bietet, ist eine große Bereicherung. Es vereint Menschen mit Unternehmergeist, die im ländlichen Raum etwas bewegen wollen.
Was wirklich wertvoll ist
Fabian Boßle schätzt seinen Heimatort, in dem er sich auch im Marktrat engagiert. Dass Hohenfels keinen Supermarkt hat, kann er verschmerzen. Es gibt stattdessen einen genossenschaftlich betriebenen Dorfladen, der gleichzeitig ein schöner Treffpunkt ist. „Man muss sich schon die Frage stellen, was wertvoller ist“, sagt Fabian Boßle. „Einfach nur günstig einkaufen oder einen Ort haben, an dem man mit anderen zusammenkommen kann.“
Für Stefanie Hofbeck ist der junge HeimatUnternehmer ein gutes Beispiel dafür, was die Initiative ausmacht: Unternehmerische, zupackende Menschen, die ihre Region aktiv mitgestalten und einen HeimatMehrWert schaffen.
Ortswechsel. Bad Kötzting hat auf den ersten Blick nicht allzu viel gemein mit Hohenfels. Doch auch dieser Ort hatte lange Zeit mit Leerständen in der Innenstadt zu kämpfen. Bis eine Initiative aus kreativen Machern beschloss, das Thema anzugehen. Die FreiRäume sind ein außergewöhnlich erfolgreiches Modell dafür, was erreicht werden kann, wenn alle an einem Strang ziehen: Ehrenamtliche, Ladenbesitzer, Kommune und Unternehmer.
Gegründet 2023, füllen die FreiRäume nach und nach Läden mit neuem Leben. Ein Engagement, das jede Menge Ausdauer erfordert. Angefangen bei der Bestandsaufnahme über teils langwierige Gespräche mit Vermietern bis hin zur Vermittlung der Flächen zu möglichst attraktiven Konditionen an geeignete (Jung-)Unternehmer. Ein entscheidender Schritt dabei war es, den Blick auf das Potenzial der leeren Läden zu lenken. Die innovativen Köpfe hinter den FreiRäumen entwickelten dafür ein erfrischendes Marketing-Konzept. Neben auffälligen und augenzwinkernd-flirtenden Slogans an den Glasfronten gab es pfiffige Events und Aktionen. Dazu entstand eine digitale Vermittlungsbörse, die für Aufsehen sorgte.
Traumjob? Selbst gemacht!
Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Schritt für Schritt wird totgesagten Läden neues Leben eingehaucht – und die Innenstadt zunehmend attraktiver. Ob italienische Mode, exotische Gewürze oder Dirndl-Upcycling: Ein Bummel durch Bad Kötzting macht richtig Spaß. Die Stadt schätzt das Engagement der Akteure und stellte der Initiative die Räume der ehemaligen Metzgerei als Zentrale zur Verfügung.
Fußläufig von dort erreichbar ist das Gscheid Haferl. Ein wunderschöner Kaffeeladen, den Matthias Wutz mit seinem Team betreibt. Die aromatischen Kaffee-Sorten stammen aus der eigenen Rösterei und können zusätzlich zum Laden über einen Online-Shop erworben werden. Wer meint, Kaffeeröstereien funktionieren nur in Großstädten, wird hier in der Oberpfalz eines Besseren belehrt. Und Matthias Wutz ist einfach nur glücklich. Der Unternehmer ging 2015 mit der Gründung ein Wagnis ein und stieß auf viel Skepsis. “Die werden keine Christbaum-Kugeln für ihre Deko brauchen”, war eine der Prognosen. Es kam anders und mittlerweile sind die Bad Kötztinger stolz auf “ihre” Rösterei. Während Matthias Wutz nun jeden Tag zu Fuß und mit seinem Hund zur Arbeit gehen kann – sein Traumjob, selbst gemacht.
Als einer der Initiatoren der FreiRäume hilft Matthias Wutz nun anderen auf die Sprünge. Weil er selbst erlebt hat, dass man, um eine gute Idee in die Tat umzusetzen, manchmal einfach ein wenig Mut braucht – und natürlich einen freien Raum.
Der allererste Impuls für die Idee zu den FreiRäumen war ursprünglich von Christian Skrodzki ausgegangen. Der vielseitige Unternehmer engagiert sich bayernweit für HeimatUnternehmen und ist ein Experte für das kreative Management von Leerständen. So niederschwellig wie möglich, ist sein Credo. Leute mit Unternehmergeist einfach mal etwas ausprobieren lassen, ohne dass sie ein unüberschaubares Risiko eingehen. Und: Netzwerken, netzwerken, netzwerken.
Was die FreiRäume mittlerweile auf die Beine gestellt haben, übertrifft Christian Skrodzkis kühnste Erwartungen. “Für das, was hier passiert, gibt es keine Worte”, sagt er begeistert. “Bad Kötzting hat einen sehr wertvollen Schatz: Menschen, die mehr tun, als sie müssen.”