Schwerpunkt-Thema: Die Kunst des Ermöglichens
Es gibt Orte, an denen das Wort „Gemeinde“ gleichbedeutend ist mit „Gemeinschaft“. Orte, an denen das „Wir“ nicht wegverwaltet wird, sondern lebt – sei es auf dem Marktplatz, in Schulhäusern, in Vereinen oder in Arbeitskreisen. Orte, an denen Menschen nicht nur ab und zu mitreden dürfen, sondern tatsächlich gefragt sind.
„Gemeinwohl sollte vor Parteibuch gehen“, sagt Marion Deinlein, HeimatEntwicklerin aus der Fränkischen Schweiz. Aus ihrer Sicht ist es für Kommunen, die Ermöglicher sein wollen, essentiell, die Partei-Farben außen vor zu lassen. Die Räte entscheiden dann gemeinsam, weil sie wissen, dass sie mehr erreichen, wenn alle an einem Strang ziehen. Wer in Fraktionen denkt, verzettelt sich zu oft und am Ende wird zu wenig erreicht.
Vertrauen ist Macht
Bürgermeisterinnen und Bürgermeister haben die Chance, durch Vertrauen statt Kontrolle die größte Wirkung zu entfalten. Wenn sie die Umsetzung von Projekten denjenigen überlassen, die darin Expertise haben und sich mit Herz und Seele engagieren, entsteht Raum für Kreativität, Qualität und nachhaltige Ergebnisse.
„Ich bin überzeugt, dass es sich am Ende auszahlt, Menschen zu ermutigen, Verantwortung zu übernehmen, mutig Neues zu unterstützen und die Größe zu haben, Aufgaben mit Vertrauen zu übergeben“, sagt Lisa Späthe, HeimatEntwicklerin im Bayerischen Wald.
Wo Vertrauen und Zusammenarbeit gelebt werden, entstehen Innovation und gemeinsamer Fortschritt – dort wird sichtbar, wie viel möglich ist, wenn jede und jeder das einbringt, was sie oder er am besten kann.
HeimatEntwicklerin Anschi Hacklinger aus dem Oberland findet es sinnvoll, wenn Bürgerbeteiligung strukturell verankert wird. Wenn es beispielsweise Arbeitskreise zu Verkehr, Dorfleben oder Ortsgestaltung gibt. Was auf den ersten Blick nach mehr Bürokratie klingt, kann das Fundament eines modernen Dorflebens sein. Insbesondere dann, wenn die AKs eigene Budgets bekommen und weitgehend selbstständig agieren dürfen. Wo Gemeinderat und engagierte Bürger gemeinsam auf Augenhöhe an Projekten arbeiten und möglichst viele Kompetenzen aus der Bevölkerung genutzt werden, entsteht eine Kultur des produktiven Miteinanders.
Visionen werden Realität
Oft sind es besonders die vermeintlichen Selbstverständlichkeiten, die einen großen Unterschied machen. Zum Beispiel, ob ein Gemeinde-Oberhaupt gut zuhören kann und Ideen von Bürgern nicht weggewischt, sondern umgesetzt werden. Doris Völkl, HeimatEntwicklerin im Oberpfälzer Wald, findet es zudem von großer Bedeutung, dass ein Bürgermeister sich unermüdlich bemüht, möglichst alle mit an Bord zu holen. Dann werden Beschlüsse von der großen Mehrheit mitgetragen. Nicht, weil alle derselben Meinung sind, sondern weil sie einander vertrauen.
Wichtig ist aus ihrer Sicht auch, dass die Bürger spüren, dass alle Generationen mitgedacht werden. Von „kurzen Wegen für kurze Beine“ bis hin zu wohnortnaher Versorgung für ältere Menschen, die nicht mehr so mobil sind.
„Nicht Förderprogramme machen Zukunft, sondern Menschen“, sagt Cornelia Müller, HeimatEntwicklerin in der Nord-Oberpfalz. „Eine ermöglichende Gemeinde sorgt dafür, dass sie Zeit, Orte und Werkzeuge haben.“ Um zu wissen, was möglich sei, brauche es jemanden, der zuhöre, weiterdenke und Weiterdenken ermögliche.
„Es ist viel Potenzial da, in jedem Ort“, sagt Cornelia Müller. „Wenn das auf fruchtbaren Boden fällt, dann muss man nicht mehr anschieben als Kommune, sondern kann zusehen, wie es gedeiht.“ Das ist auch einer der Grundgedanken der Initiative HeimatUnternehmen: Engagement stärken, Potentiale entfalten. Übertragen auf Kommunen wird oft vieles möglich, was vorher undenkbar war – von der Wiederbelebung der Wirtshauskultur über Dorfläden und gelingenden Denkmalschutz bis hin zum Naturerlebnisdorf und Angeboten für die ganze Familie. Entscheidend ist laut Cornelia Müller vor allem eines: „Im Mittelpunkt steht der Mensch und die Gemeinschaft.“
Ermöglichen als Haltung
So unterschiedlich die Städte und Gemeinden auch sind – was befähigende Kommunen gemeinsam haben, ist die Haltung: Vertrauen statt Kontrolle, Kooperation statt Konkurrenz, Zuhören statt Besserwissen und Mut, gemeinsam auch einmal etwas zu wagen. So werden nicht nur tragfähige Beziehungen gestärkt – unter den Bürgern ebenso wie zwischen Bevölkerung und Verwaltung –, sondern auch demokratische Prozesse. Nicht zuletzt erkennt man eine befähigende Kommune daran, dass ihre Türen weit offenstehen – im Rathaus und in den Köpfen.