Patricia Müller ist wieder in ihr Elternhaus gezogen. Dort hat sie im früheren Partykeller auch ihr Schneideratelier eingerichtet. Kein Interior-Designer würde willentlich die Ausstrahlung der 1970er-Dschungeltapete so hinbekommen, wie es das echte Relikt schafft.
Schon beim Hereinkommen ist klar: Chichi ist hier nicht. Weder braucht es für qualitativ hochwertige Mode glänzende Ateliers, noch muss ausrangiert werden, was noch dienlich ist. Auch die Nähmaschinen, die Patricia verwendet, sind solide und jahrelang erprobt. Ebenso sind ihre Schnitte zeitlos.
Nach einer Schneiderlehre in der Unterallgäuer Umgebung zog es Patricia in die Modewelt, wo sie bei namhaften Marken ins Produktmanagement einstieg und zuletzt als Brand Managerin bei Hugo Boss international tätig war. Ein beachtlicher Aufstieg unter hohem Performance-Druck mit allen globalen Schattenseiten der vielfach ressourcenintensiven Branche.
Raus - und rein ins kalte, klare Wasser
Ein Sabbatical sollte ihr Klärung bringen, wie sie die Liebe zur Mode mit dem überhitzten Modezirkus noch weiterhin vereinen konnte. Doch für Meditieren, surfen oder Kiwi-Pflücken war ihr Schaffensdrang zu groß.
Nach dem Befreiungsschlag zeigte sich: ein eigenes Label für Damenoberbekleidung sollte es sein, „few“ war geboren. Wenige wertige Teile, minimalistische Formsprache, zeitlos und aus Überschussstoffen der italienischen Manufakturen gefertigt, setzt Patricia seither auf das, was sie besonders gut kann: „Ich glaube, ich habe ein gutes Auge für Proportionen.“
Dies macht möglich, dass sie Kleidungsstücke entwickelt, die komfortabel sind und der Trägerin gut stehen. So entsteht ein reduzierter Look, der Frauen mit einer Handvoll langlebiger statt hundert halbgarer Kleidungsstücke auskommen lässt.
Für männliche Kunden hat „few“ aktuell nur feine Lederwaren im Programm. Doch ist das Unternehmen mit der Trachtenmaßschneiderei von Patricias zweiter Marke „Dear Dirndl“ schon gewachsen. Hier kombiniert sie ein hochwertiges Stoffangebot mit den klassischen Dirndl-Bestandteilen Mieder, Schürze, Bluse, Rock zu einem individuellen Stilvergnügen im Baukasten-Prinzip.
Furchtlos, nicht mutig
„Ich bin weich gefallen“, sagt Patricia über ihren Ausstieg aus der konventionellen Modebranche. Doch gehört trotzdem unternehmerischer Mut dazu? Von irgendwas müssen auch Minimalistinnen abbeißen.
„Mutig nicht,“ lacht sie. „Furchtlos ja. Ich hatte ja einen Plan.“ Mit dem Wissen um ihr handwerkliches Können, einem fundierten Businessplan und einer klaren Unternehmensvision traute sie sich den Schritt in die Selbständigkeit zu, und blieb konsequent bei ihren Werten und ihrer Markenstrategie hochwertiger Minimalismus.
Die Journalistin Julia Dettmer hat damals den Artikel über Patricia in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) geschrieben. „Patricia ist so selbstbewusst und in sich ruhend aufgetreten. Mit so einer klaren inneren Haltung,“ erinnert sie sich an ihre erste Begegnung. „Für den Artikel habe ich sie dann interviewt und fand ganz toll, wie stringent sie ihr Label denkt, und dass sie keine Kompromisse machen will.“
Ein Eindruck, den auch wir bei unserem Streifzug-Stopp im few-Atelier bekommen, sowohl Daniel Delang in der Bildsprache als auch ich im Interview.
Wie kann unternehmerische Stringenz wachsen?
Stringenz, Furchtlosigkeit und Klarheit – Eigenschaften, die Unternehmer:innen vielleicht typischerweise haben, und auch immer wieder pflegen müssen. Denn auch mit einer klaren Vision kann der Alltag doch auch zermürbend sein. Zudem, wenn man in einem 500-Seelen-Ort beheimatet ist, dessen Straßen tagsüber nicht gerade von Austauschmöglichkeiten und Gesprächspartnern nur so strotzen.
Was beeinflusst Dich, motiviert weiterzumachen, Patricia? „Ich hatte 2017 wirklich die Erkenntnis, dass es im Modebetrieb so nicht weitergehen kann. Und ich wollte und will ein anderes Leben führen.“ Nicht mehr unter schlechten Bedingungen kalkuliert Modisches für die Tonne produzieren, sondern trotz eigenem Vorwärts-Temperament langsam und bewusst zeitlose Kleidung herstellen. Weniges, das bleibt.
Die Nachfrage und Resonanz ihrer Kundinnen, um die sie sich selbst direkt kümmert, geben ihr recht. „Ich weiß, dass ich heute der Bottle-Neck bin für die Weiterentwicklung meines Betriebs. Doch es ist okay, in Ruhe weiterzuwachsen.“
Fotoszenen für typisch ländlichen Raum
Wir nehmen uns auf dem Streifzug die Zeit und fotografieren Patricia in einer typisch ländlichen Situation außerhalb des Ateliers: per Fahrzeug auf der Straße. Unterwegs zur Post im nächsten Ort. Daniel begeistert sich für die dynamische Komposition aus Straßenszene und Vespa. Ich freue mich besonders, dass es uns so gelingt, die charakteristischen schwäbischen Hofstellen unauffällig zu inszenieren. Sie stehen in Mittelschwaben im Gegensatz zum oberen Allgäu nicht mehr geostet, sondern mit der Schmuckseite zur Hauptstraße. Landwirtschaft gibt es nicht mehr viel. Dafür erhaltenswerte dörfliche Baukultur und Denkmäler aus der Zeit, als Klosterbeuren tatsächlich ein Klosterdorf war.
So wie über Jahrhunderte eben die Nonnen dieses Klosters Beuren – Namensgeber, Barockschmuckstück und Pulsschlag des kleinen Ortes – das Leben im schwäbischen Hinterland prägten, braucht es heute moderne Frauen, die Impulsgeberinnen sind. Indem sie an das glauben, was sie können. Selbstbewusst, in sich ruhend, stringent.
Damit der ländliche Raum stark und lebensfähig bleibt.
Kontakt
Few The Label & Dear Dirndl
Patricia Müller
Baumgarten 26, 87727 Babenhausen-Klosterbeuren
Tel.: (0)151 519 43 0 59
E-Mail: post@f-e-wardrobe.com
Web: https://f-e-wardrobe.com/ https://deardirndl.de/
Das Atelier von Patricia Müller hat keine regulären Öffnungszeiten. Wer unserem Streifzug
Günz-Illertal-Runde folgend in Klosterbeuren einen Stopp einlegen möchte, den belohnt ein Besuch der
barocken Kirche St. Ursus der früheren Klosteranlage mit kunsthistorisch wertvoller
Ausstattung.
Unser Streifzug-Team hat sich vom nördlichen Zipfel des Unterallgäus ins Museumscafé
des Museums der Gartenkultur in Illertissen (Landkreis Neu-Ulm) treiben lassen, wo wir auf das
vielfältige Werk von Dieter Gaißmayer gestoßen sind. Doch dazu mehr im nächsten Artikel ...
Dieser Artikel ist Teil der HeimatUnternehmen-Reportageserie Streifzüge
durch Schwaben, die hier insgesamt zu finden sind.
Texte: Veronika Heilmannseder, Fotos: Daniel Delang