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Hintergrund

"Ich habe erkannt, aus wem etwas werden kann"

Heimatpfleger mit Gespür für Potential: Wie Toni Drexler die älteste Kleinkunstbühne Bayerns gründete
26. September 2025
© Toni Drexler

Dass er, mit 78 Jahren, noch Podcaster geworden ist, ist für Toni Drexler eine logische Konsequenz. „Junge Menschen lesen nicht so viel, da müssen wir uns anders präsentieren“, sagt er. „Und unser Vorstand ist technikaffin und hat das nötige Equipment.“ Fertig ist die Geschichte vom Haspelmoor-Podcast. Aber noch längst nicht fertigerzählt ist die Geschichte des Hörbacher Montagsbrettl und ihres Erfinders, eben jenes Toni Drexler, den die Süddeutsche Zeitung vor gar nicht allzu langer Zeit als „rebellischen Heimatpfleger“ titulierte. Und ein wenig disruptiv muss ein Geist wohl sein, um fernab der Metropolen, im oberbayerischen Althegnenberg, eine Kleinkunstbühne zu gründen. Die älteste in Bayern, wohlgemerkt.

Am 20. Oktober 1975 war das. In der einzigen Gastwirtschaft des winzigen Dorfes Hörbach. Den Anfang machten unerschrockene Künstler wie Fredl Fesl und Hansi Well, weswegen sich Toni Drexel getrost auch als Entdecker der Biermösl Blosn betrachten darf. Bis heute sind mehr als 300 Künstler und Gruppen in Hörbach auf die Bühne getreten, darunter Dieter Hildebrand, Otti Fischer, Bruno Jonas und Gerhard Polt, um nur einige wenige zu nennen. Im September feierte die kulturelle Institution ihr 50-jähriges Bestehen. Ein halbes Jahrhundert Kabarett, Musik und außergewöhnliche Künstler. „Mir war das nicht in die Wiege gelegt, Kleinkunst-Veranstalter zu werden“, sagt Toni Drexler. „Das hat sich einfach so ergeben.“

"Man muss sich da reinhängen"

Was Toni Drexler in die Wiege gelegt war, war hingegen eine schier unstillbare Neugier und ein stark ausgeprägtes Interesse an seiner Heimat, das ihn bereits als jungen Menschen in die Archive trieb. „Wenn man sich die Mühe macht, kann man wunderbare Geschichten entdecken“, sagt Toni Drexler. Und es waren vor allem die Geschichten der einfachen Leute, die ihn packten. „Könige und Kaiser haben mich schon immer weniger interessiert als das einfache Volk.“ Wobei es zu ersteren viel Literatur und zu zweiterem kaum Literatur gibt. Um über den Alltag und die Lebensgeschichten der regionalen Bevölkerung mehr herauszufinden, musste Toni Drexler folglich hartnäckig recherchieren. „Man braucht dafür sehr viel Zeit und muss sich da reinhängen“, erklärt er. Diese Zeit nahm er sich, später sogar neben seinem Beruf als Verwaltungsbeamter an der LMU, abends oder im Urlaub.

Auf diese Weise entdeckte er allerhand erzählenswerte Geschichten, beispielsweise die einer regionalen Räuberbande aus Tagelöhnern, die schlussendlich Kirchen ausraubten und sich gar an den Gebeinen den Heiligen Rasso vergriffen. Dem Hauptmann gelang nach seiner Festnahme die Flucht nach Amerika, wo er sich für eine bürgerliche Existenz entschied. Toni Drexler hat alles über diese sagenhafte Lebensgeschichte aufgeschrieben.

"Warum nicht mehr Bühnen auf dem Land schaffen?"

Die Frage nach dem Sinn seiner Nachforschungen wurde ihm regelmäßig von anderen gestellt, er selbst stellte sie sich nie. „Mir brachte das Lebenserfahrung und neue berufliche Möglichkeiten“, sagt Toni Drexler, der schließlich Leiter des Bauernhofsmuseums Jexhof und Kreisheimatpfleger beim Landratsamt Fürstenfeldbruck wurde.

Mehr noch: Bei einer seiner unzähligen Feldbegehungen stieß er auf Überreste aus der Mittleren Steinzeit, die ältesten Spuren von Menschen zwischen Alpenrand und Donautal. Eine archäologische Sensation, für die ihm die Rainer-Christlein-Medaille verliehen wurde.

Doch Toni Drexler wollte nicht nur in der Vergangenheit verharren und beschäftigte sich zunehmend mit interessanten Gestalten der Gegenwart. Auf diesem Weg landete er – nicht völlig überraschend – in der Szene der Kabarettisten und Musiker. Und weil er immer, wenn er etwas Interessantes sieht, das Bedürfnis hat, dies mit anderen zu teilen, fragte er Künstler, die er in München erspähte, ob sie nicht auch mal Lust hätten, auf dem Land aufzutreten. „Und so fing das dann an mit der Kleinkunstbühne.“

Irgendwann war das Montagsbrettl ein monatliches Event im Hörbacher Gasthof – und weit über die Region hinaus bekannt. Inzwischen haben Toni Drexler und sein Bruder, der stets mit anpackte, die Bühne an die nächste Generation übergeben. „Ich kann mich jetzt reinsetzen und genießen“, freut sich Toni Drexler.

Der Tausendsassa hat – neben vielen anderen Talenten – ein großes Gespür für unentdecktes Potential. „Ich habe immer relativ früh erkannt, aus wem etwas werden kann. Und solche Leute haben dann bei uns die Möglichkeit bekommen, vor Publikum aufzutreten“, sagt Toni Drexler. Anderen eine Bühne bereiten und ihnen dadurch eine Chance bieten – das ist eine Spezialität des kreativen Machers.

Im ländlichen Raum sieht Toni Drexler dabei großes Potential. „Viele, die in den Metropolen etwas werden, kommen ursprünglich vom Land“, sagt er. „Warum dann nicht mal den umgekehrten Weg gehen und mehr Bühnen auf dem Land schaffen?“

"Was andere tun, ist kulturell genauso wertvoll"

Dabei schwört Toni Drexler auf Vielfalt. „Ich halte nix vom ,Mia san mia‘-Denken“, sagt er. „Was andere tun, ist kulturell genauso wertvoll. Ignoranz stört mich.“ Hier schließt sich der Kreis zur Heimatpflege, die dazu beitragen kann, den Blick zu öffnen. Denn aus der Geschichte kann man laut Toni Drexler jede Menge lernen.

Was ist Heimat für jemanden, der sich professionell damit befasst? „Heimat ist für mich da, wo ich mich nicht erklären brauche, wo die Leute mich verstehen, wie ich bin und begreifen, weshalb ich mache, was ich mache“, sagt Toni Drexler. An Bayern schätzt er zudem die einzigartige Natur und die Gemeinschaft, „die noch da ist, wenn auch im Schwinden begriffen“. Umso wichtiger sind für ihn Wirtshäuser als Treffpunkte. „Dass die Menschen sich wieder besser verstehen, ist in jeder Hinsicht notwendig“, sagt Toni Drexler. „Dazu gehört, dass es Orte gibt, wo man das leben kann.“

Ein solcher Ort ist das Montagsbrettl. Wer das Jubiläums-Festival (Brettl Festival 2025) verpasst hat, dem sei ein beliebiges anderes Event in Hörbach dringend ans Herz gelegt. Ebenso wie der Haspelmoor-Podcast, da gibt´s unter anderem die Geschichte der ältesten bayerischen Kleinkunstbühne zum Nachhören: Hörbacher Montagsbrettl - Teil 1 - Haspelmoor Podcast - Geschichten ums Moos

Wer mehr über Toni Drexlers Archiv-Funde erfahren möchte, dem sei als Lektüre empfohlen „Vom Finsterbach zum Mississippi oder vom Schwobn-Girgl zum John Betzinger. Dem Rasso-Räuber-Häuptling Georg Müller sein abenteuerlicher Weg von Bayern ins Amerika.

Toni Drexler und sein Bruder Jakob beim Brettl-Festival 1990. Die älteste Kleinkunstbühne Bayerns wurde am 20. Oktober 1975 gegründet. 

Der Tausendsassa betätigte sich auch selbst als Kunstschaffender: Hier sein Werk "Kubus", zu sehen bei der HofmarkART 2002.