Siloschwarz und klärend weiß: Ruheinseln in alten Mauern
Zunächst ist da ein schwarzes Loch, dann ein helles Entree, gefolgt von einem charmanten Sitzfenster, einem Lieblingsplatz der Hausherrin. Wer die neuen Apartments des Bed & Breakfasts „D’Kammer“, schwäbisch kurz für „Die (Schlaf-)Kammer“, besichtigt, folgt zunächst der Treppe durch die geschwärzte Betonwand des runden, alten Silos. Beschönigen wollen die HeimatUnternehmer Michael und Julia Staudinger nichts. Nur weiternutzen, was noch brauchbar ist, und mit dem Besten ergänzen, was für die Funktion Gästebeherbergung nottut.
So haben sie im Erdgeschoss die alte Tenneneinfahrt der Hofstelle
von Julias Familie bestehen lassen und als Zugang zum künftigen Café, Tagungsraum und zu den
neuen Gästezimmern umfunktioniert. Das erwähnte Silo ist als Treppenhaus noch
gut zu gebrauchen, auch wenn es alles andere ist als ein urbaner, weiter
Jugendstilaufgang. Es ist eben, was es ist: ein weitergenutztes, solides Bauernhaus mit
den Spuren ländlicher Tätigkeiten. Und das ist das Schöne.
Oben in den neuen Gästezimmern, die mit ihren hellen Flächen und
Holzfenstern ein subtiles Lichtspiel zwischen Innen und Außen erzeugen, fühlt
man sich geborgen und angeregt zugleich. Genau richtig, um sich zur Erholung in
die alten Mauern zurückzuziehen, so wie es früher auch Aufgaben von Kammern auf dem Bauernhof war. Sie waren Ruheinseln für Mensch und Gut im alltäglichen Betrieb. Von dort kann man wunderbar auf Entdeckungsreise zu gehen: zur
jadegrünen Iller, ins urige Dorf Illerbeuren mit seinem Bauernhofmuseum samt
Tieren und alten Maschinen. Auch Wald und Wiesen im Allgäuer Voralpenland warten auf große und kleine Besucher:innen, die sich Zeit nehmen, um sich treiben zu lassen.
Silage wurde auf dem alten Hof nicht nur im Hochsilo im Innern des
Hauses aufbewahrt, im Außenbereich befand sich zudem ein klassisches Fahrsilo.
Auch diesen bereits verbauten Beton mit den darin gebundenen Materialien und
der aufgewandten Energie wollten Staudingers nicht zu Schutt verkommen lassen.
Stattdessen hat die Familie eine Sonnenterrasse für die Gäste daraus gemacht, deren geschliffener Beton an den regionaltypischen Nagelfluh erinnert.
Als Fotograf Daniel Delang und ich für unsere „Streifzüge durch Schwaben“ kommen, wird die Terrasse gerade von einer Gästefamilie genutzt. Schöne Möbel, ein Wasserspiel und ein freier Blick in den weitläufigen Wiesengarten, der „D’Kammer“ umgibt, lassen uns alle einige wohltuende Augenblicke innehalten.
Julia Staudinger kümmert sich um die Gäste. „Sie macht das
wirklich so liebevoll … Es ist schon etwas Besonderes hier mit dieser persönlichen Note. Besser als jedes Hotel", sagt ein Gast. Die Familie ist mit drei Generationen angereist und genießt es, dass Staudingers ein robustes wie stilvoll auf das Wesentliche reduziertes Angebot für Kinder und ein feines für ihre Eltern und Großeltern konzipiert haben. Die Bereiche sind weitläufig genug, dass jede:r stressfrei auf seine Kosten kommt. Erprobt von den eigenen Kindern und inzwischen mit viel positivem Feedback der Gäste gewachsen.
Regionale Werte ziehen sich als Leitfaden durch das Konzept
Robust und fein zeigt sich auch das Carpaccio in der Küche. Julia schneidet dazu das einheimisches Gartengemüse Rote und Gelbe Bete in hauchdünne Scheiben. Sie bereitet das Frühstück für den nächsten Tag vor und verwendet dazu saisonale Zutaten aus der Umgebung. Sind die Gäste vormittags versorgt, kümmert sich die Unternehmerin um die Vorbereitungen für den nächsten Tag und den allgemeinen Gästebetrieb.
Ehemann Michael beglückt uns währenddessen mit einem Espresso. Was ist das Unternehmenskonzept hinter „D’Kammer“? Qualität dürfte die erste Antwort sein. Qualität beim Bau und in der Ausstattung, im Ausdruck der eigenen Marke und im Bewahren traditioneller Werte, die mit großem Stilempfinden weiterentwickelt werden. Bei HeimatUnternehmen ist D'Kammer damit genau richtig, wie auch HeimatEntwickler Christian Skrodzki bestätigt.
Doch es ist mehr als Qualität. Es ist das Bewusstsein für die Stärken ihrer Heimatregion, wie sie sich in derhandwerklichen Produktion von Lebensmitteln, Möbeln oder Gebrauchsgegenständen abzeichnen. Nicht zuletzt im bäuerlich-ehrlichen Charakter traditioneller Baukultur. Dies zu schätzen und weiterzutragen, ist eine Aufgabe im Betrieb, die Michael und Julia beflügelt.
„Ich verstehe mich nicht nur als Gastgeberin, sondern auch als Botschafterin für unsere Region“, sagt Julia. „Dass wir das weitergeben dürfen, was es hier vor Ort Schönes und Gutes gibt, das macht mich sehr dankbar.“
Wer weiß, dass beispielsweise die Leinenbettwäsche im Ostallgäuer Marktoberdorf von einem Traditionsbetrieb genäht wird, zu dem die Mitarbeiterinnen wohnortnah mit dem Fahrrad radeln, um auf langjährig erprobten Singer-Nähmaschinen feine Wäsche zu nähen, schläft gleich nochmal so gut. Gewissermaßen das I-Tüpfelchen nach einem intensiven Allgäu-Tag, den Julia mit persönlichen Empfehlungen für die Gäste angeregt hat.
Gute Schlaf ist auch für sie das A und O, schließlich klingelt der Wecker schon um 5 Uhr. Dann bereitet sie das Frühstück für die Gäste, bevor sie sich um die familieneigene Mannschaft kümmert. Doch es ist ein Traum, Oma Annas Hof, in dem Julia selbst einige Zeit gelebt hat, in guter Weise zu bewahren. Mit den neuen Appartements, einem Seminarraum und dem kleinen Hofcafé realisieren Julia und Michael Staudinger ein weiteres Stück ihrer Vision, die alte Hofstelle weiterzunutzen und mit einer modernen wie passenden Belebung zu füllen. Dazu schultern sie gemeinsam die unternehmerischen Herausforderungen.
Das Alte als geschätzter Kern des Neuen: Weiter bauen und Identität bewahren
D'Kammer ist dabei kein Ad-hoc-Projekt, sondern ein langjähriger Prozess. Der wird auch von außen verstanden und geschätzt: „Familie Staudinger hat bereits mit ihrem neuen Wohnhaus bewiesen, dass sich
gute Architektur wie von selbst in die Umgebung einfügt. Mit seiner
klaren Kubatur, seiner ruhigen Fassadengestaltung steht der rot gefasste
Neubau wie selbstverständlich neben dem historischen Bauernhaus“, sagt Kreisheimatpfleger Dr. Bernhard Niethammer, seines Zeichens auch Bauforscher und Leiter des benachbarten Schwäbischen Freilichtmuseums in Illerbeuren.
Ebenso überzeugte ihn der Umbau des alten Hofs zum anspruchsvollen B&B: „Auch hier bewiesen die Bauherrin und der Bauherr viel Gespür für das
Objekt. Moderne Elemente, die klar auf eine neue Nutzung hinweisen,
fügen sich bruchlos in die überlieferte Architektur des Hauses. Dieses
wird nicht durch modische, aus dem Katalog einschlägiger
Architekturzeichenprogramme entnommene Gestaltungselemente verunstaltet.
Gerade der Verzicht auf Dachaufbauten, Dacheinschnitte oder Balkone
führt zu einer klaren architektonischen Haltung. Das Gebäude wirkt
durch wenige, bewusst eingesetzte Gestaltungselemente, die das alte
Bauernhaus als Nukleus des Neuen noch immer deutlich erkennen lassen.“
Niethammer, der sich intensiv mit Baukultur auf dem Land und in Europa beschäftigt hat, ist voll des Lobes: „Familie Staudinger hat das bestehende Haus schlicht und ergreifend
weitergebaut, ohne ihm seine Geschichte zu nehmen.“ Wir können nur zustimmen.
Zum Abschluss unseres Streifzug-Stopps spazieren wir noch durch die historischen Gebäude des Schwäbischen Freilichtmuseums mit Gasthof und Biergarten. Hier kann man verstehen, was die Region Schwaben seit Jahrhunderten prägt. Umso schöner ist es, dass wir gerade einen bei HeimatUnternehmen engagierten Betrieb besucht haben, der diese Werte schätzt und pflegt. Oder wie Experte Niethammer es ausdrückt: „Familie Staudinger hat einen wesentlichen Beitrag zur
Weiterentwicklung, aber auch Erhaltung ländlicher Architektur geleistet.
Ihr Vorhaben darf als vorbildlich gesehen werden und es wäre zu
wünschen, dass es zahlreiche Nachahmer findet. Denn nur auf diese Weise
ist die Möglichkeit gegeben, unsere Heimat in ihrer unverwechselbaren
Form zu bewahren.“
Kontakt
D'Kammer B&B und Guesthouse
Familie Staudinger
Memminger Str. 14
87758 Illerbeuren
08394/926 44 77
hallo@dkammer.com
https://dkammer.com/
Unter-, Ost- und Oberallgäu: So geht der große Schwaben-Streifzug weiter
So long, Illerwinkel, wir müssen dich lassen. Daniel und ich machen uns nach dieser Runde durch das Günz- und Illertal auf, um nun von der östlichen Schwaben-Grenze des Lechrains zum Wächter des Allgäus, dem Grünten, im Süden zu kommen. Ziel dieser Streifzug-Etappe ist eine Oberallgäuer Alpe, bei der wir euch hoch auf den Berg nehmen. Also pack mer's, hier geht es zu allen Folgen der Reportage-Serie „Streifzüge durch Schwaben“.
Text: Veronika Heilmannseder, Fotos: Daniel Delang